Deutsches Atlantikwall-Archiv

Varangerfjord

 

Zurück

Rund um Varangerfjord

Stand 13.11.2018

Der 'Atlantikwall' präsentiert sich vor allem in Nordnorwegen in seinem Ausbauzustand dem Besucher so, wie er Mitte 1941 nach Konsolidierung der deutschen Besatzungstruppen in Norwegen aussah.
Die Geschütze waren in feldmäßig erstellten Bettungen, die Besatzung in Baracken oder leichten Unterständen, die Munition in feldmäßigen Kleinstständen untergebracht.

Batterie Vadsö - offene Bettung
 
Batterie Kvalneset - HWB mit Laufgrabenanschluß
Die Entscheidung, Norwegens Küsten gegen alliierte Landeunternehmen stärker zu sichern, fiel zu einem Zeitpunkt, als bereits Rohstoffmangel der deutschen Industrie zu schaffen machte. Viele der avisierten Befestigungsvorhaben wurden daher nie fertiggestellt oder konnten noch nicht einmal begonnen werden.
 
Im Zuge von Frontverkürzungsmaßnahmen wurde ab Herbst 1944 die Hauptkampflinie, die bis zu diesem Zeitpunkt - auf Murmansk zielend - östlich von Petsamo lag, etappenweise bis zum Lyngenfjord zurückgenommen. Leider ging dieser Rückzug mit dem Befehl zur "Verbrannten Erde" einher und der größte Teil der zivilen Infrastruktur wurde zerstört, auch wenn es Ausnahmen – mehr als man denkt – gab, die oftmals auf einer Übereinkunft der Besatzer mit den Einheimischen fußten.

Nach dem Krieg mußte Finnland das Gebiet um Petsamo, östlich (dem norwegischen) Kirkenes, endgültig an die Sowjetunion abtreten. Norwegen und damit die NATO grenzt hier direkt an Rußland. Dementsprechend sind die Verhältnisse, obwohl die praxisorientierten Norweger mit Rußland eine Art kleinen Grenzverkehr ausgehandelt haben.

Dieser R 630 in Kirkenes wurde mittlerweile geräumt
 
Die Halbinsel hinter der Mündung ist russisches Staatsgebiet!

Ein Besuch der nordöstlichsten Teile des Atlantikwalls ist somit auch heutzutage nur mit besonderen Genehmigungen möglich. Hier wird sich vielleicht in naher Zukunft für Nicht-Norweger etwas ändern. Zumindest für geführte Gruppen ist Rußland seit einiger Zeit "entdeckbar" geworden, wobei die Stätten unseres Bunkerbegehrs immer noch nicht begehbar sind.

 
Zumindest straßentechnisch hat sich einiges getan: die neue E 105 führt auf norwegischem Terrain schnellstraßenmäßig (schade um die Landschaft!!) nach Murmansk. Im kleinen Grenzverkehr gibt es einen regen Austausch von Norwegern und russischen Staatsbürgern. Eine Anfrage beim russischen Konsulat in Kirkenes könnte aktuelle Klarheit über Besuchsmöglichkeiten für Nicht-Norweger erbringen. Dort kann man ein Tagesvisum erstehen, das aber mit einigen Auflagen und recht hohen Kosten verbunden ist.
Und frei bewegen kann man sich trotzdem nicht.
Tschechenigel im NATO-Diensten
 
Nach dem deutschen Rückzug sollten die Sowjettruppen keinerlei brauchbaren Einrichtungen mehr in dieser einsamen Gegend vorfinden. Befehlsgemäß wurden demnach viele Anlagen, leider auch zivile Wohnhäuser und Einrichtungen, zerstört. Je nach Verfügbarkeit von Sprengmitteln sind diese Zerstörungen an festungstechnischen Einrichtungen mehr oder weniger gründlich ausgefallen. Auch die Auswahl der zerstörten Bauwerke ist verwunderlich: kleine Ringstände wurden fachgerecht 'zerlegt', währenddessen vollfestungsmäßig erstellte MG-Schartenstände fast einsatzfähig die letzten 70 Jahre überdauert haben und keinerlei Sprengspuren aufweisen.

Ekkeröy - perfekt gesprengter Ringstand

So findet man neben 'perfekt' gesprengten Bunkern auch noch bautechnisch völlig intakte Anlagen, die sich beispielsweise als Unterkunft während der langen Polarnacht durchaus noch hätten verwenden lassen können. Darunter ist so manches 'Bonbönchen', wie beispielsweise der R 620 unterhalb der Kiberger Marinebatterie mit seiner aus drei verschiedenen Panzerplatten zusammengesetzten MG-Schartenplatte. [1,3]

 
Kibergneset - R 622, noch im Rohbauzustand R 620 mit Panzerplatte 726a P3 vor 7 P7 vor 492a P2
 
Auch der Leitstand der Batterie Kiberg, ein M 178, hat wie alle größeren Bauten der Batterie überlebt. Er fällt durch seine ungewöhnliche Bettung für die E-Meßeinheit auf.
 

Kibergneset - Leitstand M 178, Bettung für Meßgeräteeinheit

Kibergneset - Leitstand M 178, Seitenansicht vorn

MKB Vardö - Laufgraben
 
Durch den Rohstoffmangel und die infrastrukturellen Probleme bei der Beschickung mit Baumaterial an die exponiert liegenden Stellungen schützten sich die Stützpunktbesatzungen so gut wie möglich, indem sie sich immer tiefer in den gewachsenen Fels hineinsprengten.

Die karge und meist strauch- und baumlose Felslandschaft verlockt zu der Annahme des Besuchers, Befestigungsanlagen schnell entdecken zu können. Dem ist aber nicht so. Erdversenkte Bauwerke, Bettungen und Gräben sind durch ihre perfekte Tarnung so versteckt, daß man sie erst in unmittelbarer Nähe ausmachen kann. Noch mit Holzbrettern abgedeckte Laufgräben, die mit Steinen getarnt wurden, bilden dabei eine nicht zu unterschätzende Gefahrenquelle für einen unkundigen Besucher.

Kibergneset - Ringstand des R 620
 
Kibergneset - Schnee im R 701 Auch an ein anderes Handicap denkt man nicht: Mitten im Sommer wird einem der Zugang in Unterstände und Hohlgänge durch meterhohe Schneereste verwehrt.

 

Zur Vertiefung:

[1] DAWA Nachrichten 69 - Tourentip Varanger
[2] DAWA Sonderband 10 - Die Regelbauten des Heeres im Atlantikwall (vergriffen, keine Neuauflage geplant)
[3] DAWA Sonderband 19 - Militärmuseen in Nordeuropa (z.Zt. vergriffen)
[4] DAWA Sonderband 31 - Bildband Heeresregelbauten, Teil 2 (Neuauflage 2017 in Farbe!)

   

Willkommen ] Zurück ]

Stand: 22. März 2023

Impressum
Harry Lippmann, Schmittgasse 151, D - 51143 Köln  - Telefon: (02203) 87818
Harry.Lippmann@deutschesatlantikwallarchiv.de