Deutsches Atlantikwall-Archiv
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Der Atlantikwall in FrankreichStand 16.02.2021 Im Gegensatz zu Belgien kann man in Frankreich noch etliche Reste des Atlantikwalls finden. Der am stärksten befestigte Abschnitt war bekanntermaßen der Pas de Calais zwischen der belgisch-französischen Grenze östlich von Dünkirchen bis nach Boulogne.
Noch weit im Inneren gibt es Reste von Feldflughäfen und
deren Schutzanlagen sowie die Konstruktionen der sog. Vergeltungswaffen zu
sehen.
Im Bereich der Hafenstädte Dünkirchen, Calais und Boulogne wurden
die meisten Bauwerke mittlerweile entfernt. Vor allem an den
Strandpromenaden und in den Häfen erinnert nichts mehr an die flächendeckende
Bebauung mit Verteidigungsanlagen. Immerhin, die flankierenden Seezielbatterien,
die als Sperrbatterien fungierten,
sind meistens noch vorhanden und werden punktuell, wie das Beispiel der Batterie Crêche zeigt, von Vereinen betreut, die sich der Erhaltung dieser Bauwerke
verschrieben haben.
Die Strände der Picardie lagen ebenfalls nicht weit von England entfernt und im Gegensatz zu den häufigen Steilküstenabschnitten im Bereich zwischen Boulogne und Calais wäre hier eine alliierte Landung immer noch denkbar gewesen, weil die Landeverhältnisse für kleine Schiffseinheiten recht günstig waren.
Viele Bauwerke, ja, ganze Stützpunkte und Batterien, wurden erst in den letzten 20 Jahren entfernt.
Hier wäre also bei Fahrten längs der Küste ein Schwerpunkt zu setzen, bevor
die noch vorhandenen Bauwerke ebenfalls geräumt werden.
Der Bereich der südlichen Seine-Bucht bis nach Cherbourg wird
daher durch die
alliierten Landungsstrände SWORD, JUNO,
GOLD, OMAHA
und - von der Vire-Mündung
unterbrochen - UTAH charakterisiert. Hier dürfte sich wohl
die größte Konzentration von Militärmuseen
zu
einer gleichen Thematik befinden. Es ist daher kaum verwunderlich, daß sich die
meisten Militärtouristen in Frankreich hier in der
Normandie tummeln. Die französische
Administration tut ein übriges dazu und vernichtet
Dekade für Dekade ein Stück naturbelassene Normandie, um den Gästen eine
bessere Infrastruktur zu bieten. Da der Pas de Calais mit Dünkirchen, Calais und Boulogne als Ausschiffhäfen als Hauptlandezone angenommen wurde, war im Juni 1944 der Atlantikwall in der Normandie längst nicht fertiggestellt. Es wurde jedoch mit Hochdruck daran gearbeitet, diesen Mangel im Calvados und vor allem an der Ostküste des Cotentin auszugleichen, da man mit der Normandie immerhin sekundär als mögliches Landegebiet rechnen mußte. Schließlich boten sich hier Le Havre und Cherbourg als leistungsfähige Hochseehäfen an. Dem Reisenden fällt die hektische Bautätigkeit durch die Vielzahl unfertiger oder behelfsmäßiger Bauwerke vor allem an den britischen Landungsstränden auf, währenddessen die Seefronten von Le Havre und Cherbourg einigermaßen gut mit Artillerie bestückt waren. Die Westküste des Cotentins ist durch den großen Tidenhub der Bucht von St. Malo denkbar ungeeignet für eine Landung. Dementsprechend gering ist der Durchsatz an Befestigungsanlagen. Lediglich die beiden größeren Hafenstädte Carteret und Granville wurden - mehr schlecht als recht - gegen Kommandounternehmungen gesichert.
Vor allem Teile der 77. Infanteriedivision unter Oberst Bacherer im Verbund mit Festungsstammeinheiten hielten längere Zeit nicht nur an der Landfront bei Cancale und Dinard stand, sondern verteidigten auch ihre
Panzerwerke an den taktisch wichtigen Punkten rund um die Festung.
Von Touristen kaum 'heimgesucht' werden die Anlagen, die sich in der nördlichen Bretagne
bis nach Brest, vor allem rund um die Hafenstädte finden. Es handelt sich hierbei meistens um kleinere Batterien
etwas im Hinterland, Funkmeßstützpunkte und Infanteriestellungen
in verschiedenen Umfängen.
Die südliche Bretagne wartet mit ihren U-Bootstützpunkten Brest, Lorient und St. Nazaire auf, die vor allem seeseitig stark gesichert waren. Entsprechend ihrem frühen Status als Festungen wurden alle drei Städte auch gegen Luftangriffe gesichert. Hier kamen etliche schwere Flugabwehrabteilungen zum Einsatz, deren Leittürme vor allem in St. Nazaire sehenswert sind. Die Spezialität von Brest ist die Nutzung alter und die Anlage neuer Hohlgangssysteme, deren Zugänge an den Steilufern des Hafen-, des Werftgeländes und des Penfeld liegen. Fast alle diese Hohlgangsanlagen sind heute noch in Nutzung durch das frz. Militär und somit für die Öffentlichkeit gesperrt. Der Brester U-Boot-Bunker konnte längere Zeit besichtigt werden. Durch die Terrorgefahr der letzten Jahre auch und vor allem in Frankreich wurde die Öffentlichkeit aber zeitweise ausgeschlossen. Mittlerweile ist wieder eine Besichtigung möglich – Nicht-Franzosen sollten aber ihre Ausweispapiere bereithalten. Lorient als Sitz des BdU (Befehlshaber der U-Boote auf der Halbinsel Kernevel) wurden infrastrukturell andere Prioritäten zuteil. Hier war das Befehlszentrum für die Schlacht im Atlantik mit den vielen unterschiedlichen untergeordneten Dienststellen, die alle gegen Luftangriffe bombensicher untergebracht werden mußten und sich in der ganzen Stadt verteilten. Als Dönitz in das Hauptquartier Koralle bei Berlin umzog, wurde als Befehlsstelle der Führer der U-Boote Westgruppe zwischengeschaltet. Sein Hauptquartier befand weit weg von der Front im Schloßpark Pignerolles östlich von Angers. War die Unterbringung im Château durch Luftangriffe gefährdet, zog sich das Personal des Stabes in die elf nahebei liegenden Bunker zurück und konnte von dort aus ohne Beeinträchtigungen weiterarbeiten.
Die Vendée besitzt zwar hervorragend für Anlandungen geeignete Strandabschnitte, war aber strategisch gesehen von nicht großer Bedeutung. Außerdem war der Anmarschweg alliierter Landungstruppen von Großbritannien aus nicht nur weit entfernt, sondern von den U-Flottillen der Atlantikstützpunkte
flankierend gedeckt. Der Ausbau des Atlantikwalls beschränkt sich hier auf stranddeckende Widerstandsnester,
die vor allem gegen britische Kommandounternehmungen schützen sollten. Festungstechnisch interessant ist dann wieder die Festung La Rochelle. Neben der üblichen Seefront (hier unterteilt in einen
Nord- und einen Südabschnitt), einer stellenweise recht gut ausgebauten Landfront und den Stützpunkten rund um die
U-Boot-Basis La Pallice, zeichnet sich die Festung vor allem durch die Eingliederung der beiden Inseln Ré und Oléron in das Verteidigungsdispositiv aus. Die Festung La Rochelle bildet so eine der größten Atlantikfestungen.
Bis zur südlich anschließenden Festung Gironde Nord besteht die Landschaft hauptsächlich aus dem Mündungsdelta der Charente und anderer Flüsse mit einigen kleinen vorgelagerten Inselchen.
Im II. Weltkrieg konnte man, im Gegensatz zu früheren Epochen, größtenteils
darauf verzichten, das Terrain
mit Ständigen Anlagen auszurüsten. Man sah die Gegend als nicht landegefährdet an und die Bucht zwischen La Rochelle und Ronce-les-Bains
wurde durch die Batterien auf Ré und Oléron
auch hinreichend gedeckt. Warum dann bei Biarritz wieder eine Massierung von schwerer Artillerie, verbunden mit den notwendigen Bauwerken, stattfand, scheint jeglicher strategischer Grundlage zu entbehren.
Zur Vertiefung:
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Stand: 22. März 2023Impressum |